Was die AfD sich hier mal wieder im Landtag geleistet hat, ist eine gefährliche Verknüpfung von Kindeswohlgefährdung mit Queerness. Dies ist nicht nur ein Angriff auf trans* Kinder und Jugendliche, sondern auf die Grundwerte unserer Gesellschaft: Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.
Die Verschreibung von Pubertätsblockern an trans* Jugendliche ist sicherlich ein komplexes Thema. Allerdings erfolgt die Verschreibung nicht mal eben so an sämtliche trans* Jugendliche, wie die AfD suggertiert, sondern erst nach einer intensiven Abwägung. Die AfD schürt nur mal wieder Misstrauen gegen Ärzt*innen, Psycholog*innen und Eltern, als ob diese keine sorgfältigen Entscheidungen treffen würden.
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen!
Zunächst einmal ist und bleibt es richtig und wichtig, über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aufzuklären – sowohl in der Gesellschaft als auch unter Kindern und Jugendlichen. Denn nur durch Wissen und Solidarität können wir Vorurteilen, Diskriminierung und Ausgrenzung begegnen.
Die Ausstellung „Gefährdet leben. Queere Menschen 1933 – 1945“, die derzeit in der Portikushalle gezeigt wird, erinnert uns eindringlich daran, dass der Schutz der Würde und der Rechte jedes Menschen stets oberste Priorität haben muss.
Nun zum Thema! Pubertätsblocker, auch „Hormonblocker“ genannt, sind in der Medizin – ja! ein kontrovers diskutiertes Thema, aber keineswegs so eindeutig negativ bewertet, wie es die AfD hier suggerieren möchte. Die Studienlage zu Langzeitfolgen ist in den Fällen unzureichend.
Deswegen haben sich Länder wie Schweden dazu entschlossen, die Medikamente seit 2021 nur noch im Rahmen klinischer Studien an Minderjährige auszugeben. Auch andere europäische Länder folgen diesem vorsichtigen Ansatz. Aber es ist nicht überall eindeutig, ob das so wie in Schweden rein medizinisch oder an anderer Stelle vielleicht auch politisch motiviert ist.
Ein komplettes Verbot, wie es die AfD hier fordert, gibt es in Europa nur in Russland, und das sollte uns nicht überraschen.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten medizinische und psychologische Fachgesellschaften dagegen seit Jahren an einer neuen Leitlinie zur Behandlung der Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter. Der aktuelle Entwurf der Leitlinie sieht vor, dass pubertätshemmende Medikamente nur nach umfassender psychiatrischer und pädiatrisch-endokrinologischer Begutachtung und bei anhaltender Geschlechtsinkongruenz und erheblichem Leidensdruck verschrieben werden.
Warum sage ich das so detailliert? Weil es zeigt: Pubertätsblocker werden keineswegs leichtfertig verschrieben. Diese Medikamente sind bereits jetzt streng reguliert und kommen nur nach einer intensiven Abwägung der individuellen Umstände zum Einsatz. Auch wenn die offizielle Anzahl der Transjugendlichen gestiegen ist, bedeutet das nicht, dass alle diese Jugendlichen Pubertätsblocker bekommen. Im Gegenteil.
Ich finde, es ist unverantwortlich, wie die AfD hier Misstrauen nicht nur gegen Ärzt*innen, nicht nur gegen Psycholog*innen, sondern auch gegen Eltern schürt, indem sie suggeriert, dass diese keine sorgfältigen Entscheidungen träfen. Das ist schlichtweg falsch und unredlich.
Pubertätsblocker werden gezielt eingesetzt, um extremen Leidensdruck zu mindern und den Betroffenen sowie den Behandelnden Zeit für reflektierte Entscheidungen zu geben. Die Debatte über pubertätshemmende Medikamente muss auf wissenschaftlicher Grundlage geführt werden. Politische Einmischung in diese komplexen medizinischen Entscheidungen ist unangebracht. Stattdessen können wir darüber diskutieren und überlegen, wie wir durch Forschung und Studien mehr Klarheit und mehr Sicherheit schaffen können.
Liebe Kolleg*innen, was die AfD hier mit ihrem Antrag betreibt, ist nichts Neues. Es ist eine gefährliche Verknüpfung von Queerness und Kindeswohlgefährdung. Dies ist nicht nur ein Angriff auf Transkinder und -jugendliche, sondern wie immer auch ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft, auf Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Lassen Sie uns diesen Angriff gemeinsam abwehren, mit Aufklärung, Fakten und Solidarität.
Vielen Dank.
Quelle: Niedersächsischer Landtag – 18. Tagungsabschnitt (29.08.2024) – TOP 20
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